Aufreger Pflege und Gesundheit Politik und Gesellschaft

Mangelnder Respekt vor der Pflege ist politisch gewollt

Pflege am Boden
Pflege am Boden

Was hält die Bundesregierung eigentlich so von #Pflege? Nix. Sie streut lediglich bewusst der Wählerschaft Sand in die Augen, sie habe etwas gegen den Pflegenotstand getan. Hat sie nicht. Und sie weiß es spätestens, seit Alexander Jorde die Ahnungslosigkeit von Angela Merkel bloßgestellt hat.

Das Gesundheitsministerium veröffentlicht ein Pamphlet, in dem sie Untersuchungen zur Entwicklung der Zahlen für Pflegebedürftige und Pflegekräfte vergleicht. Da kann man als Pflegefachkraft schon mal Hals bekommen. Warum, was steht denn drin?

Die Zahl der Pflegefachkräfte habe sich zwischen 1999 und 2015 um rund 78% erhöht. Die Zahl der Pflegebedürftigen sei im gleichen Zeitraum „nur“ um 40% gestiegen. Nur. Als sei dieses langsamere Wachstum kein Grund für die ständigen Klagen nach zu wenig Personal. Denkt denn irgendwer ernsthaft, mit einer Pflegefachkraft pro Mensch käme man aus? Funktioniert nicht mal statistisch. Da für jeden Patienten, der rund um die Uhr an allen Tagen gepflegt werden muss, nicht nur eine Pflegepersonon notwendig ist, weil da Arbeitszeit, Krankheit und Urlaub mitabgedeckt werden müssen, müsste bei wachsender Anzahl Pflegebedürftiger die Steigerung bei den Pflegefachkräften mit einen entsprechend höher liegenden Faktor erfolgen. Was sie nicht tut. Das Ministerium weiß dies, versucht aber den Anschein zu erwecken, die Pflegekräfte sollten mal schön den Mund halten, weil ihre Zahl ja höher gestiegen sei als die Fallzahl.

Im Pamphlet steht auch, dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff darauf abstelle, die Selbstständigkeit der Pflegebedürftigen zu erhalten bzw. zu fördern. BRAHAHAHA!!!1 Selten so gelacht.


Schon der alte Begriff hatte den Webfehler, dass man als Pflegender für die Verbesserung der relevanten Selbstpflegekompentenzen nur minimal belohnt wurde. Zunächst nur durch Kürzung der Leistung, später immerhin mit einer geringfügigen Bonuszahlung mit anschließend gekürzter Leistung. Gekürzte Leistungen heißen immer auch gekürzter Personalanspruch. Inwieweit dies Pflegende motivierte, durch ressourcenorientierte Pflege die Selbständigkeit der Menschen zu fördern, blieb bis zur Abschaffung des alten Pflegebedürftigkeitsbegriffs ein Rätsel.

Im neuen Begriff der Pflegebedürftigkeit wird nun deutlicher, dass sich die Pflegebedürftigkeit des Menschen in Einschränkungen seiner Selbständigkeit ausdrückt. Je unselbständiger man ist, desto mehr Punkte für den Pflegegrad erhält man. Ein Schelm, der denkt, man müsse den Menschen nur abhängig genug werden lassen, und schon bekomme man mehr Punkte und eben einen höheren Pflegegrad. Man hat allerdings ins Gesetz reingeschrieben, dass Pflegende nun mit fördernder, aktivierender Pflege die Selbständigkeit der Pflegebedürftigen erhalten und steigern sollen: Sie haben „eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten“. Das Problem bleibt das gleiche: Pflegt angemessen, damit ihr weniger Geld bekommt. (Spannend ist übrigens, dass ab 2019 die dann überarbeiteten Qualitätsprüfungen dann auch noch prüfen, ob bei Verschlechterungen des Zustandes die Einrichtung gut genug begründet hat, warum sie die Verschlechterungen nicht hat vermeiden können. Inwieweit es in Altenheimen aussichtsreich ist, dass der Großteil der hochaltrigen, multimorbiden Bewohner sich in Sachen Selbständigkeit verbessert, muss mir bitte das Ministerium noch erklären.)

Ausgerechnet dieses Bundesgesundheitsministerium macht außerdem mit bei der Entwertung professioneller Pflege und bezeichnet Betreuungskräfte, die laut der Betreuungskräfte-Richtlinie explizit gerade KEINE Pflege leisten dürfen, in seinem Newsletter vom 15.11.2017 als „Pflegekräfte“. Ist doch kein Problem? Doch. Sie sind es nicht. Das ist eine Luftbuchung. Und der Staat lässt bei den jährlichen Qualitätsprüfungen sehr gründlich prüfen, ob denn auch nun ja keine zusätzliche Betreuungskraft regelmäßig pflegerische oder hauswirtschaftlichen Leistungen erbringt. Damit nun ja verhindert wird, dass eine Betreuungskraft in eine intensive Beziehung mit schwerstdementen Menschen über das Anreichen von Nahrung eingeht. Auf der anderen Seite hat allerdings der Gesetzgeber den Fachkraftbegriff in der Pflege ohnehin so wischiwaschi gestaltet, dass sich die Behörden nicht in der Lage sehen, gegen Missbrauch des Begriffs Fachkraft im Pflegebereich vorzugehen. Sagte ich schon, dass die Piraten dank meines auf dem LPT17.2 angenommen Antrags fordern, den Fachkraftbegriff zu schützen?

Und dann war da noch:

Die Politik hält Pflege halt klein. Will sie kleinhalten, muss sie kleinhalten. Weil eine menschenwürdige Pflege mehr Geld kostet, das der Staat aber nicht ausgeben will, weil er dann endlich wieder an die großen Geldbörsen herangehen müsste. DANN MACHT DAS HALT MAL!!!1 Pflege ist solidarisch sicherzustellen, in dem *alle* einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Beitrag zahlen. Wundert es da, wenn irgendwelche Rechenkünstler menschenfeindliche Aussagen in die Welt blubbern?

CC BY-SA 3.0 Piratenpartei