Netze und Systeme Politik und Gesellschaft

Listen mit Verantwortung (und ohne)

Screenshot von https://bsky.app/moderation/modlists. Zu sehen sind die Menüelemente sowie die Überschrift "Moderationslisten".

Seit sich Elon Musk, der Besitzer von Twitter, immer mehr als antisemitischer, offen verschwörungsgläubiger Hetzer entpuppt, suchen Menschen nach alternativen Social-Media-Plattformen. Dabei bekommen Facebooks Threads, das Fediverse v.a. mit Mastodon und das vom Twitter-Mitgründer Jay Gardener ins Leben gerufene Bluesky viel Aufmerksamkeit.1

Deswegen geht hier die Reihe zur Diskussionskultur im Netz weiter: Was ist zu den Moderationslisten von Bluesky zu sagen?

Bluesky hat ein sehr mächtiges Werkzeug, um sich unerwünschten Content vom Leib zu halten: Individuelle Userlisten lassen sich abonnieren und zum Stummschalten oder Blockieren2 der darin gesammelten Accounts nutzen. So können Leute, die wenig Zeit haben, fragwürdige Accounts zu sichten und von Hand zu filtern, auf einfache Art ein angenehmeres Leseerlebnis erhalten.3

Diese Funktion ist so mächtig, weil toxische Interaktionen auf eigene Beiträge auch für andere Leser durch den Block verschwinden.4 Eins der zentralen Probleme von Twitter war schon vor der Übernahme durch Musk die Flut toxischer Accounts, die z.T. botgesteuert Menschenverachtung und Desinformation verbreiteten. Das „Flooding the zone with shit“ ist durch Musk noch schlimmer geworden. Ein Grund mehr, woanders nach Social-Media-Glück zu suchen.

Dabei ist Bluesky sehr transparent, was Blocks und Filterlisten angeht, und begründet dies auch öffentlich. Das als Open Source bei GitHub entwickelte ATPROTO-Protokoll spuckt nicht nur über eine API die Follower aus, sondern auch, wer welche Accounts filtert oder auf Listen gepackt hat. Über https://bsky.thieflord.dev/ kann man das bequem nachlesen.

Darüber kommt man übrigens einem Problem auf die Schliche, vor dem seit Wochen Nutzer warnen: Wer solche Filterlisten abonniert, sollte regelmäßig sichten, wer auf diesen Listen steckt, weil dies evtl. unbeabsichtigt von einem selbst als lesenswert eingestufte Inhalte unterbindet.

Aus aktuellem Anlass fasse ich im Folgenden einige Kernaussagen aus dem Thread ab https://bsky.app/profile/oliverding.bsky.social/post/3klotpuemvk2t zusammen.

Mute- und Blocklisten auf Bluesky sind ein heikles Werkzeug. Seid Euch Eurer Verantwortung bewusst, die entsteht, weil diese Listen abonniert werden können. Ihr bekommt gar nicht mit, wer Eure Listen abonniert und ob diese evtl. von Dritten empfohlen werden. Trennt vor allem Listen von Menschen, die politisch missliebige Inhalte von sich geben, von Listen mit Leuten, die Ihr aufgrund von deren Sozialverhalten da drauf packt.

Wenn Ihr in die Beschreibung etwas mit Nazis, Querdenker, TERFs o.ä. packt, aber eben auch Leute da rein packt, mit denen Ihr aus anderen Gründen aneinander geraten seid, könnte dieser Aspekt übersehen werden, wenn sich jemand berechtigterweise vor Nazis, Querdenkern, TERFs etc. schützen will. Hier gilt besondere Vorsicht, weil die damit einhergehende Gleichsetzung ggf. justiziabel sein könnte. Problematisch sind hier vor allem abonnierbare Listen, die durch die Bezeichnung oder Beschreibung den Eindruck erwecken, die aufgeführten Accounts würden allesamt gegen gewisse Werte verstoßen. Das ist bei „Meine persönliche Blockliste“ ist da wesentlich unverfänglicher.

Für Blocks an sich gilt https://sockenseite.de/wordpress/2021/01/08/mein-block/: Niemand spricht Dir Dein Recht ab, Dich gegen missliebiges Verhalten zur Wehr zu setzen. Wen Du selbst nicht lesen willst, ist Deine private Sache. Du hast die Filtersouveränität, und Filtern an sich ist unbedenklich, solange es privat bleibt, was hier aber nicht der Fall ist. Auch wenn protokollbedingt Blocks bei Bluesky öffentlich sind, erfordern die abonnierbaren Listen besondere Sorgfalt.

Durch Netzwerkeffekte kann das dadurch erzielte Unterbinden von Kommunikation deutlich größere Kreise ziehen als beabsichtigt oder absehbar. Das kann bei Menschenverachtern noch legitim erscheinen (keine Toleranz den Intoleranten!). Schlichte Meinungsverschiedenheiten dürfen damit nicht in einen Topf geworfen werden.

Denn das Bereitstellen abonnierbarer Listen ist definitiv nicht mehr nur legitimer Selbstschutz. Eine solche Liste stellt die Accounts zur Schau und geht damit in die Öffentlichkeit. Das hat eine ganz andere Qualität, weil die Listen im Gegensatz zu den Blocks an sich von anderen abonniert und zum Muten bzw. zum Blocken genutzt werden können.

Bitte differenziert daher Eure öffentlich einsehbaren Listen. Macht deutlich erkennbar, welche Personengruppen dort gelistet sind und haltet Euch daran. Trennt Listen menschenverachtender Accounts von denen, die nur Euch persönlich nerven.5 Seid Euch bewusst, dass es exkludierende Netzwerkeffekte gibt, wenn viele Leute Eure Listen abonnieren.

  1. Spannend ist übrigens zudem, dass sowohl Bluesky als auch Threads angekündigt haben, Anschluss ans Fediverse zu schaffen, so dass die drei großen Twitter-Alternativen untereinander kompatibel werden.[]
  2. Wie sich beides bei Bluesky unterscheidet, wird in der Bluesky-FAQ erklärt.[]
  3. Eine weitere Stärke ist, dass man mit Feeds den Algorithmus für die Beiträge, die man sieht, selbst mittels SkyFeed festlegen kann.[]
  4. Sie sind über FireSky noch abrufbar, aber das muss man erst mal finden und zu nutzen lernen.[]
  5. „Wenn Deine Liste die Beschreibung „mag ich nicht“, „nervt mich“, „ist blöd“ trägt, dann ist das auch OK, weil da Deine persönliche Beurteilung erkennbar ist.“, schreibt Astrid Christofori sehr treffend.[]
  1. Pingback: Lesefunde 2024-02-20 – Ingram Braun

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