In den vergangenen Tagen hatte ich einige unschöne Diskussionen mit Eltern, die Bedenken gegen das Tragen von Masken in Kitas haben. Wohlgemerkt geht es dabei nicht darum, dass die Kinder Masken tragen sollen. Dies wäre aufgrund der kindlichen Neugier und dem unterschiedlich ausgeprägten Verständnis für Hygiene nicht flächendeckend sinnvoll. Daher wird es in den entsprechenden Verordnungen auch für Kinder erst ab Schuleintritt verpflichtend vorgesehen. Dass es Kinder gibt, die bereits vor der Schulreife angemessen mit Masken umgehen können, sollte man dennoch nicht vergessen. In diesem Fall ist es sinnvoll, den Kids die Masken anzubieten, aber darum geht es hier nicht.
In Leverkusen gibt es aktuell eine laut diesem Schreiben des MKFFI zulässige Verschärfung der Maskenpflicht. Jetzt melden Eltern Bedenken an, dass Masken, die Erzieherinnen und Erziehern im Umgang mit den Kindern tragen, problematisch seien. Ja, das sind sie. Völlig richtig. Natürlich bedeutet es eine Einschränkung, wenn man z.B. die Mundbewegungen nicht mehr sehen kann und nicht die gesamte Mimik sichtbar ist. Das kann aber aktuell kein Grund sein, sie grundsätzlich wegzulassen.
Es hat Gründe, warum Erwachsene bei Unterschreitung des Mindestabstands Maske tragen sollte. Es gibt Evidenz, dass es a) vor allem effektiv ist, wenn eine infizierte Person Maske trägt, aber b) auch Gesunde davor schützen kann, sich zu infizieren. Beides funktioniert besser, wenn die Maßnahmen kombiniert werden. Das ist das Schweizer-Käse-Prinzip der Covid-19-Prophylaxe: Zusammen ergeben diverse für sich genommen unzureichende Maßnahmen einen insgesamt besseren Schutz.
Das wird im Thread ab hier auch noch mal mathematisch hergeleitet:
Mathe für Politiker:innen (Frau Doktor Merkel ausgenommen)
Lektion 4: Wahrscheinlichkeitsrechnung
a) Das Infektionsrisiko wird durch Kombination von Maßnahmen effektiv reduziert, weil sich die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten multiplizieren: Pasch würfeln: 1/6 * 1/6 = 2.8%
1/7
— Michael Flohr a.k.a. Níthilhêr The Colourless (@Nithilher) November 6, 2020
Wir sind mitten in einer Pandemie. Bislang haben die Kitas weitgehend Glück gehabt, dass sie von größeren Ausbrüchen verschont blieben. Das wird aber bei der hohen Inzidenz aktuell nicht so bleiben. Schauen wir mal in den Berliner Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Dort zeigt sich am heutigen 27.11.2020 folgendes Bild:
Wir sehen rechts unten einen deutlichen Ausschlag im Bereich der Kitas und Grundschulen.
Und dann gucken wir nach Leverkusen:
Auch hier sieht man, dass die hohe Inzidenz in der Gesellschaft dazu beiträgt, dass die Infektionen in die Kitas und Grundschulen hereingetragen werden. Natürlich muss man bei der dortigen Gesamtpersonenzahl beachten, dass sich Verzerrungen ergeben, weil die Zahlen auf 100.000 Personen hochgerechnet werden. Und dennoch kommt die Pandemie sichtbar im Primarbereich an.
Diverse Studien wurden öffentlich fehlinterpretiert, dass sie angeblich aussagen würden, dass es in Kitas und Grundschulen kaum Infektionen geben würde. Es hat zu den Studienzeitpunkten niedrige Inzidenzen geben, so dass das Risiko niedrig war und die Fallzahlen eben auch übersichtlich waren. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ und dürfen nicht auf Zeiten mit hohen Fallzahlen übertragen werden. Das haben ALLE Wissenschaftler auch immer dazu gesagt. Jetzt haben wir eine exorbitant höhere Inzidenz, und – Überraschung! – SARS-CoV-2 macht nicht einfach einen Bogen um Kitas und Schulen. Es sei denn, man nutzt geeignete Schutzmaßnahmen. Ansonsten gilt:
- Wenn man dem Virus zu nahe kommt, steckt man sich an. Egal wo.
- Und wenn man angesteckt ist, steckt man andere an. Egal wo.
Unter dem Eindruck einer anderen Meldung muss man zusätzlich aufmerken:
Und von den 410 Toten heute waren 2 Kinder unter 5 Jahren, 19 vermutlich mitten im Leben stehende Menschen in der Altersgruppe 35-59 und 110 heutzutage nicht wirklich alte Menschen zwischen 60 und 79 Jahren.
— Pavel Mayer (@pavel23) November 25, 2020
Noch mal, weil sich das erst einmal setzen muss: Am 25.11.2020 sind zwei Kinder unter 5 Jahren an den Folgen von Covid-19 verstorben. Kinder sterben an Covid-19. Habt Ihr jetzt begriffen, warum man das mit den Masken auch in den Kitas nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte?
Masken schützen vielleicht nicht perfekt, aber sie ergänzen das Schutzszenario sinnvoll. Und je höher die Inzidenzzahlen sind, desto höher besteht die Gefahr, dass Covid-19 auch in die Kitas getragen wird. Masken sind also als Teil der Prophylaxe momentan notwendig, denn sie schützen auch unsere Kinder. Dass die Kitas offen bleiben, ist eine gute und wichtige Entscheidung, aber diese Entscheidung bedingt eben solche Einschränkungen. Sie sind nicht von langer Dauer, denn Impfungen stehen schon in den Startlöchern und spätestens ab März wird es auch wieder wärmer. Das ist eine Durststrecke, aber wir haben schon bewiesen, dass wir das schaffen können.
Außerdem sollten wir die Kinder nicht unterschätzen: Sie kennen es, dass Mama und Papa aktuell Masken tragen. Sie kennen die Bezugspersonen in der Kita und werden sie auch mit Maske wiedererkennen. Kinder können zudem über die Stimmlage und die weiterhin sichtbare Mimik genügend Informationen erhalten und wissen, was die Erzieherinnen mitteilen wollen. Traut den Kids doch bitte einfach mal zu und lasst die Masken auf sich wirken. Es wird erhellend sein, und je unverkrampfter der Umgang der Eltern mit der Thematik gegenüber ihren Kindern ist, desto weniger Probleme werden die Kids in der Kita damit haben. Es ist also – wie eigentlich immer – eher ein Problem der Eltern als ihrer Kinder.
Nicht alles, was aktuell erlaubt ist, muss in der Pandemiesituation gemacht werden. Nicht alles, was aktuell nicht verboten ist, ist unbedingt erforderlich.
Und deswegen ist es völlig okay, dass man auch über all dort Maske trägt, wo man es eigentlich nicht müsste. Aber in der Kita muss man halt.
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