Der Europäische Datenschutztag ist ein auf Initiative des Europarats ins Leben gerufener Aktionstag für den Datenschutz, der seit 2007 jährlich Ende Januar begangen wird. Seit 1981 gilt die Europäische Datenschutzkonvention, an die der Europäische Datenschutztag erinnern soll, aber es bestehen – wie diverse Datenschutzskandale immer wieder beweisen – noch immer gewaltige Defizite.
Ziel des Europäischen Datenschutztages ist es, die Bürger Europas für den Datenschutz zu sensibilisieren. Das ist auch ein Kernanliegen der Piratenpartei und befindet sich an erster Stelle unseres Wahlprogramms für die Bundestagswahl. Grundlagen eines sinnvollen Datenschutzes sind die Prinzipien Datensparsamkeit, Datenvermeidung und unabhängige Kontrolle von personenbezogenen Daten. Welche Defizite sich bei der Umsetzung dieser Prinzipien immer wieder zeigen, beweise diverse Entwicklungen der letzten Monate:
1. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationssicherheit, Peter Schaar, ist entgegen der EU-Richtlinie nicht unabhängig, sondern unterliegt den Weisungen der Bundesregierung. Interessenkonflikte bei der Ahndung von Datenschutzverstößen, Mängeln bei der Informationsfreiheit oder problematischen Gesetzesvorhaben sind deshalb vorprogrammiert. Katharina Nocun, Datenschutzexpertin der Piratenpartei, hat daher eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht, die von Rechtsexperten unterstützt wird.
2. Peter Schaar (siehe oben) kritisiert den von den Koalitionsparteien vorgelegten Entwurf zum Beschäftigtendatenschutz als „nicht ausreichend“. Der Entwurf bleibt nicht nur weit hinter der vorgeschlagenen Datenschutz-Grundverordnung der EU zurück, sondern enthält diverse eklatante Verschlechterungen für die Beschäftigen: Offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz sowie Audiomitschnitte von Telefonaten werden ausdrücklich legalisiert. Öffentlich zugängliche Daten über Bewerber sollen generell genutzt werden dürfen, auch wenn sie aus sozialen Netzwerken stammen. Außerdem fehlen wichtige für den Arbeitnehmerdatenschutz bedeutsame Regelungen, etwa zur automatisierten Personalaktenführung und zur privaten Nutzung von Telekommunikationsdiensten oder ein Verbot, unzulässig erhobene Daten für Beweiszwecke zu verwenden. Es ist wenig überraschend, dass die meisten Änderungsvorschläge der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder nicht berücksichtigt wurden. Die PIRATEN lehnen den Verstoß gegen die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung ab.
3. Während der Fußball-Europameisterschaft 2012 wurde ein neues Meldegesetz vom spärlich besetzten Bundestag in nur 57 Sekunden durchgewunken. Statt, wie ursprünglich geplant, dem ungehemmten Datenhandel von Meldeämtern endlich einen Riegel vorzuschieben, hatten Lobbyisten für eine umfassende Berücksichtigung der Interessen der Werbewirtschaft gesorgt. Schon zum letztjährigen OptOut-Day kritisierten die PIRATEN dieses Vorgehen; selbst die EU-Kommission übte heftige Kritik am „Datengeschacher“. Mittlerweile ist das Gesetz im Vermittlungsausschuss. Die PIRATEN setzen sich für die Beachtung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ein.
4. Im vergangenen Jahr ging der „Bundestrojaner“ der Firma DigiTask durch die Presse, mit dem sich die Exekutive auf zum Teil verfassungswidrige Weise Daten besorgt und gravierend in die Bürgerrechte eingreift. Auch die jüngst eingekaufte Software FinFisher ist einem Rechtstaat unwürdig; schon dass sie bisher von autoritären Systemen wie Bahrein oder dem Mubarak-Regime in Ägypten eingesetzt wurde, sollte alle Alarmglocken schrillen lassen. Auch für die so genannte „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“, die die Bürgerrechte angeblich „grundrechtsschonend“ einschränken soll, gibt es laut einem Gutachten der Bundesanwaltschaft „keine Rechtsgrundlage“. Die Piratenpartei lehnt jedweden Einsatz einer solchen grundrechtswidrigen Überwachungssoftware ab.
5. Immer wieder setzt die Polizei verdachtsunabhängig massenhafte Funkzellenabfragen von Mobiltelefonen ein, um vorgeblich Strafdaten aufzuklären oder deren Aufklärung zu erleichtern. Der Berliner Datenschutzbeauftragte stellte dazu fest, dass der routinemäßige Einsatz „ohne hinreichende Beachtung der gesetzlichen Vorgaben eingesetzt wird“. So entfiel meist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit und die eigentlich für solche Maßnahmen notwendige Gefahr von schwersten Straftaten gegen Leib, Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung lag so gut wie nie vor. Außerdem seien die Betroffenen nicht über die Maßnahme informiert worden und die gesetzlich vorgeschriebenen Löschfristen wurden nicht eingehalten. Polizei und Staatsanwaltschaften haben offenbar jedes Maß verloren und halten jeden Bürger für einen potentiellen Verbrecher. Die Piratenpartei engagiert sich gegen solcherlei Überwachungsmaßnahmen.
6. Immer wieder versuchen Politiker, in Deutschland die vom Bundesverfassungsgericht gekippte anlass- und verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten wieder einzuführen. Das BVerfG hatte die Maßnahme gestoppt, weil sie einen „besonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt“, darstellte. Die Vorratsdatenspeicherung verstößt aber nicht nur gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch gegen die EU-Menschenrechtscharta. Die Piratenpartei lehnt Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich ab.
7. Fast schon erschreckende Routine ist es geworden, dass Wirtschaftsverbände und Politiker unter Ausschluss der Öffentlichkeit irgendwelche dubiosen Verträge wie ACTA, SOPA, PIPA oder IPRED aushandeln. ACTA z.B. hätte den Daten- und Verbraucherschutz umfassend den Interessen der Rechteinhaber geopfert und mit breit angelegter Überwachung tief in die Privatsphäre eingegriffen. Die Proteste von Verbraucherschützern sowie des deutschen und des europäischen Datenschutzbeauftragten wurden zunächst ignoriert. Das Handelsabkommen war schon fast in Kraft gesetzt, als erst der massive Druck von protestierenden Bürgern und Internetunternehmen es zu Fall brachten. Auch wenn immer wieder neue Vertragsentwürfe auftauchen, die auf ähnliche Weise den Datenschutz aushöhlen wollen, ist die Piratenpartei wachsam.
8. Die Europäische Union forscht außerdem noch an einer übergreifenden Überwachungsmöglichkeit. Das Projekt heißt INDECT, was übersetzt „Intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Überwachung, Suche und Erfassung von Bürgern in städtischen Räumen“ bedeutet. Ziel des INDECT-Projekts ist es, für sich allein schon äußerst kritisch zu bewertende Methoden wie flächendeckende Videoüberwachung, Bewegungsprofile oder die Nutzung persönlicher Daten und Informationen aus dem Internet für Fahndungszwecke vollautomatisiert zusammen zu führen. Damit wird jeder Bürger erfasst und gerät bei jedweder Abweichung von durch Algoritmen festgelegten Parametern in Verdacht. Von solchen Möglichkeiten konnte die Stasi nur träumen. In der Piratenpartei arbeitet eine eigene Taskforce daran, die Umsetzung dieses Projekts zu verhindern.
Ohne öffentlichen Druck werden weder die Regierungen von Bund und Ländern noch die Europäische Kommission von ihrer durch die obigen Beispiele demonstrierten Geringsschätzung der Bürgerrechte absehen. Die Piratenpartei wird nicht aufhören, auf solcherlei Mängel hinzuweisen und die Achtung von Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung einzufordern. Deswegen unterstützen die PIRATEN den Europäischen Datenschutztag.
Klarmachen zum Ändern!
(Crosspost mit piratenpartei-leverkusen.de und Flaschenpost)
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar schlägt eine Vorratsdatenspeicherung von 2 Wochen vor. Als Kompromiss. Finde ich nicht gut: Anlasslose Speicherung bleibt anlasslos, egal wie lange sie dauert. Und die Erfahrung zeigt, dass solche Zeiträume ganz schnell ausgedehnt werden. Mittel der Wahl bleibt der sogenannte “Quick Freeze”, bei dem nur die Daten Verdächtiger gespeichert werden. Mit Anlass.
Alles andere wäre ja auch verfassungswidrig.