Musik und Kultur

Deine Kunst, meine Kunst

Durch eine fortgesetzte Debatte mit mehreren Urhebern aus dem entfernten Bekanntenkreis (ein ehemalige Schulkamerad, jetzt „Kampfkünstler“ und Autor, ein Nutzer von plattentests.de, Bild-Foto-Wort-Künstler), die in den letzten Wochen an unterschiedlichen Stellen auf Zuckerbergs Gelddruckmaschine ein wenig meiner Zeit in Anspruch nahm, wurde ich heute dazu inspiriert, in einer Facebook-Diskussion ein wenig über die Wertschätzung von Kunst zu sprechen. Ich zitiere den Gedankengang, der bei der Auseinandersetzung mit Malte Weldings hervorragendem Artikel „Wir müssen über Geld reden“ bei Facebook entstand, großräumig:

Wenn Welding schreibt, „Künstler müssen eines: wissen, von wem sie Geld bekommen können. Und es von demjenigen fordern. Schnell sein. Mischkalkulationen anstellen. Solidarisch sein. Materialistisch sein. Und nicht: Geisterdebatten führen.“, bedeutet das alles, nur nicht, gebt alles weiter an Verwerter ab und lasst Euch dafür von denen weiter verarschen. […] Es geht aber eben nicht darum, den Künstlern ihren Anspruch auf Finanzierung abzusprechen. Es geht darum, aufzuzeigen, dass der Mangel an Interesse der Bevölkerung der Grund für wirtschaftliche Probleme ist. Anstatt Windmühlenkämpfe gegen Piraten zu führen, wäre es für Künstler ratsamer, ihre eigene gesellschaftliche Bedeutung ins Bewusstsein der Bevölkerung zu transportieren. Und zwar nicht mittels „Die wollen mir etwas wegnehmen!“, sondern als „Gebt mir EuchEuer Geld, ich bin es wert!“1

Die Gesellschaft schuldet Künstlern zunächst höchstens Anerkennung. Dafür, dass daraus auch finanziell nutzbare Wertschätzung wird, sind die Künstler eben auch mit verantwortlich. Es reicht nicht aus, dies den Verwertern zu überlassen, denn die haben kein Interesse daran, die prekäre Lage von Zuschusskünstlern zu verbessern, weil gerade dies ihr Geschäftsmodell ist. Die Notwendigkeit der Querfinanzierung durch Erfolge deckt sich damit, dass freischaffende Künstler in einem Abgrenzungswettstreit mit der restlichen Unterhaltungsindustrie stecken, in der sie in der Regel den Kürzeren ziehen. Deswegen sind es nämlich eben nicht nur die Verwerter, die für das Geschäftsmodell Kultur wichtig sind, sondern eben auch die Kulturschaffenden selbst.

Wenn Kultur die Wertschätzung will, die sie meint, sich verdient zu haben, sollte sie diese einfordern: bei den Verwertern, beim Publikum, bei der Bevölkerung. Wenn letztlich diese überzeugt ist, dass Kunst einen Wert hat und zu fördern ist, wird sie bereit sein, politischen Druck weiterzugeben. Die Piratenpartei2 ist übrigens gerne bereit, diesen Druck zu formulieren und in die Parlamente zu tragen: siehe https://wiki.piratenpartei.de/NRW-Web:Wahlprogramm_Landtagswahl_NRW_2012#Kultur. […]

Verwerter sind *eine* Schnittstelle. Das Potential der mit dem Netz entwickelten Infrastruktur, die es Künstlern erlaubt, ihre eigene Schnittstelle zu sein, wird mit ihnen nicht wirklich ausgeschöpft. Wenn ein Künstler die zusätzlichen Geschäftsmodelle der Zukunft nicht in Erwägung ziehen will, ist das aber dessen eigene Entscheidung.3

Der Artikel macht jedenfalls auch klar, dass nicht Veränderung an den bestehenden Verwertungsmodellen das Problem der geringen Finanzierung auslösen, sondern das dies bereits in der Gesellschaft angelegt ist. Dagegen sollte Kunst selbstbewusst angehen. Persönlich spannend fände ich übrigens Kunst, die sich mit der eigenen Wertschätzung beschäftigt und mit der Auseinandersetzung über den Wert von Kunst in Reaktion auf die aktuellen Debatten beginnt. Inwieweit der Status Quo, der in Deutschland Fair Use und Remix-Kultur ausblendet und unter Strafe stellt, zukunftsfähig ist, wird jedenfalls die Zeit zeigen. Ich habe da so meine Zweifel.

Disclaimer: Ich bin selbst Urheber. Meine Inhalte hierzublogs und bei den lokalen Piraten erscheinen ohne Geschäftsmodell. Die Rezensionen bei Plattentests.de4 könnten meinetwegen unter CC gestellt werden, aber das hat in diesem Fall der Herausgeber zu entscheiden.

&tl;dr: Kunst will wertgeschätzt werden? Dann muss sie dies einfordern und dies vor allem nicht den Verwertern überlassen.

  1. Das sollte dann aber bitte nicht ganz so plump geschehen wie bei „Kunst hat recht“ oder „Musik ist mir was wert“.[]
  2. Deren Mitglied ich seit dem 16. März bin.[]
  3. Bei Facebook stand dieser Absatz in direkter Ansprache. Der Verständlichkeit zuliebe wurde er umformuliert.[]
  4. Die dortigen Werbeeinnahmen reichen gerade mal für Portokosten und den Betrieb der verwendeten Server.[]
  1. Heero Miketta

    Um das abzuschließen, weil das ja ausufert, die Dauerdiskussion – schau mal hier, das ist die Stellungnahme eines Piraten, die man mit viel Mühe unter den tausend Links finden kann, die gerne verbreitet werden. http://www.christopherlauer.de/2012/04/22/tsv/
    Der Mann ist gut, der bringt Dinge auf den Punkt, ist mir schon öfter über den Weg gelaufen.

    Das hier beschreibt er als Standpunkt der Piraten:
    „Volles Urheberrecht für den Urheber. 10 Jahre nach Tod des Urhebers gehen die Rechte in die Allgemeinheit über.
    Werke können nur auf Wegen vermarktet werden, die zu Vertragsabschluss bekannt sind.
    25 Jahre nach Vertragsabschluss mit einem Verwerter gehen alle Verwertungsrechte wieder zum Urheber zurück.
    Entkriminalisierung von Peer to Peer Tauschbörsen. Seiten wie Pirate Bay, Megaupload und Kino.to wird es auch mit der Piratenpartei nicht geben.
    Viele viele andere Regelungen, zum Beispiel kostenlose Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke in Bildungseinrichtungen.“

    Ich weiß nicht genau, was sich unter den „vielen vielen anderen Regelungen“ verbirgt, da mag Sprengstoff drinstecken, aber was da jetzt steht, ist für die meisten Kreativen UND für „die bösen Verwerter“ total in Ordnung. Das kommunizieren, da dahinterstehen, und einfach mal aufhören, permanent Kunstschaffende und ihre Verleger/Produzenten/Verwertungsgesellschaften in der Diskussion zu diffamieren, dann werdet auch Ihr Piraten Euch bald wenige diskriminiert finden.

    Wetten?

    Die Links zu meiner Person da oben sind – vorsichtig formuliert – veraltet, und gleiches gilt für viele der Standpunkte, die die Piraten in der öffentlichen Diskussion dauernd vorbringen und damit neue Protestwellen auslösen. Noch einmal: Was der Christopher Lauer da schreibt, wenn DAS der Standpunkt der Piraten ist, dann KOMMUNIZIERT DEN. Und fangt den Mob ein, der dauernd und immer wieder den Kreativen und den Künstlern vor die Schienbeine tritt und denen erzählt, er wäre selbst Kreativer, weil er ab und zu Apps schreibt, oder selbst Urheber, weil er als Hobbyist ein Blog betreibt oder Rezensionen schreibt.

    So, schönen Tag noch. 🙂

  2. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass genau das der offiziell vom BPT bestätigte Standpunkt der Piratenpartei ist. Dieser Standpunkt wird übrigens öffentlich kommuniziert (z.B. bei den unter für 2012 genannten Anlässen). Insb. die Äußerungen von Bruno Kramm sind beachtenswert.

    Wenn ich Diskussionen mitbekomme, in denen irgendwelche Leute eine Freeloader-Mentalität an den Tag legen, bekommen sie von mir durchaus auch etwas zu hören. Ich sehe solche Diskussionen jedoch möglicherweise einfach viel seltener als Du. Wenn Du auf solche stoßen solltest, würde ich mich insb. dann über entsprechende Hinweise freuen, wenn Leute so argumentieren und sich als „Piraten“ ausgeben.

    Allerdings finde ich es etwas anmaßend, die Kreativität anderer Menschen, die vom gleichen Urheberrecht geschützt wird wie Deine und meine Texte, in den Schatten stellen zu wollen, auch wenn die Schöpfungshöhe eines kreativen Werk Grundlage des Schutzes ist. Auch wenn etwas selten passiert, schränkt das die kreative Leistung nicht ein. Entscheidend ist, was bei der möglicherweise selteneren kreativen Tätigkeit als Ergebnis herauskommt. Wenn es die notwendige Schöpfungshöhe hat, ist dies schützenswert. Und manchem Blogger gelingt dies mit seltenen Verlautbarungen deutlich eher als mancher viel publizierenden Online-Redaktion, die bloß minimal modifizierte Agenturmeldungen freischaltet (und für derart miserable Arbeit auch noch ein Leistungschutzgeld erpressen will).

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