Im Wahlkampf in Leverkusen habe ich viel darüber diskutiert, wie ungerecht es ist, dass an politischen Prozessen stark interessierte Einwohner unserer Stadt keine Wahlberechtigung haben – sei es, weil es die sinnfreie Optionspflicht gibt, weil die Gebühren für einen Wechsel der Staatsbürgerschaft zu hoch sind oder die Personen zwar hochgradig interessiert und gut informiert, aber leider deutlich zu jung sind. Die Piratenpartei, die ja leider trotz aller Anstrengung und reichlich Zuspruch auf den Straßen den Einzug in den Bundestag verpasst hat, hat da ja ein paar Vorschläge:
- Im Wahlprogramm zur BTW13 wird unter „Familie und Gesellschaft“ die Abschaffung der Optionspflicht gefordert. Wer sich für ausführlichere Begründungen interessiert, kann sich im Krähennest ein Gespräch mit Simone Brandt zur Abschaffung der Optionspflicht anhören. Auf der NRW-Fraktionsseite ist ihr Redebeitrag im Düsseldorfer Landtag zu finden.
- Deutlich weiter gehen die Jungen Piraten mit ihrem Vorschlag zum Wahlrecht ab Geburt. Was sich zunächst radikal anhört, ist dennoch eine Gute Idee™, weil damit kein Automatismus verbunden ist. Die erstmalige Ausübung dieses Wahlrechts soll für Unter-16-Jährige mit der selbständigen Eintragung ins Wählerverzeichnis verbunden sein. Dies setzt voraus, dass ein tatsächliches Interesse daran besteht, das Wahlrecht auszuüben. Das setze ich voraus, und ich halte eine Wahlentscheidung von an der Politik interessierten Jugendlichen für deutlich reflektierter und tiefgründiger als die eines 40-ährigen, gering informierten RTL2-Zuschauers, den an Frau Merkel insb. die biedere Halskette oder diese tolle Handverrenkung interessiert.
- „Eine Regierung, die von ca. 20% derer, über deren Rechte und Pflichten sie bestimmen darf, nicht mitgewählt werden durfte, ist nicht demokratisch legitimiert.“ Dies ist ein Zitat von der JuPi-Seite zum Wahlrecht ab Geburt. Dies stimmt aber auch umso mehr, als dass bei der BTW13 15% der abgegebenen Stimmen und damit die Stimmen von sieben Millionen Bürgern ohne parlamentarische Repräsentanz geblieben sind. Dass damit die 5%-Sperrklausel grundgesetzwidrig geworden ist, ist keine Einzelmeinung.
Das sind – u.a. wegen des Nichteinzugs der PIRATEN – natürlich weiter berechtigte, aber leider kaum kurz- bis mittelfristig umsetzbare Forderungen. Ganz konkret kann es aber werden, wenn die Beteiligung der Jugend auf kommunaler Ebene vorangetrieben wird, zum Beispiel im Zusammenhang mit der im kommenden Jahr anstehenden Kommunalwahl in NRW. Schauen wir uns doch mal konkret an, was die Stadt Leverkusen schon für die Mitbestimmung der Jugend tut: Wer auf der Website der Stadt nach dem Begriff „Jugendparlament“ sucht, findet nichts.
Google spuckt ein paar Fundstellen aus: Zum einen eine Pressemitteilung der Jungen Union, die kaum verdächtig ist, den Ausbau von Demokratie und Mitbestimmung zu fördern und daher natürlich schon 1999 ein Jugendparlament für Leverkusen für nicht nötig hielt, zum anderen ein Interview mit dem ehemaligen OB Küchler, der sich 2006 für ein Jugendparlament in Leverkusen ausspricht, und schließlich ein Eintrag bei UptoLEV, der feststellt, „dass Leverkusen ein tolles und funktionierendes Jugendparlament hat“. Ja, was denn nun?
Das Problem ist, dass der 2009 nach jahrelanger Diskussion gefundene Kompromissbegriff ein anderer ist: Man hat sich auf „Jugendforum“ geeinigt, und danach sucht wohl kaum jemand intuitiv. Wenigstens kennt Google den Begriff. Unter http://jugendforum-lev.org/ findet man die Website des Jugendforums Leverkusen, und die aufgelisteten Schwerpunkte sind schon einmal eine gute Basis: Drogenpolitik, Rassismusprävention, Jugendhäuser und die Öffentlichkeitsarbeit.
leverkusen.com sammelt wie immer vorbildlich die Meldungen zum Thema. Auf der Website sind mit dem korrekten Suchbegriff dann zusätzlich u.a. die Satzung des Jugendforums verlinkt, und in der Satzung für den Fachbereich Kinder und Jugend der Stadt Leverkusen findet man den Hinweis, dass ein Mitglied des Jugendforums als beratendes Mitglied an den öffentlichen Sitzungsteilen teilnehmen darf und als beratende Stimme gehört werden muss. Immerhin.
Unter einem vollwertigen Jugendparlament stelle ich mir jedoch anderes vor. Es ist z.B. verwunderlich, dass bei der Entsendung von Teilnehmern am Jugendforum keine demokratische Wahl vorgeschrieben ist. Auf Basis des gemeinsamen Kommunalwahlprogramms des AK Kommunalpolitik NRW haben die Leverkusener PIRATEN einen Vorschlag formuliert, der Anfang Dezember bei einer Kreismitgliederversammlung ins Wahlprogramm aufgenommen werden soll. Als Modul 4 in Programmpunkt 001 findet sich dort ein Abschnitt zum Jugendparlament:
Jugendparlament
Die Leverkusener PIRATEN sehen große Potentiale in kommunalen Jugendparlamenten. In Leverkusen existiert seit 2009 ein regelmäßig tagendes Jugendforum, welche die Interessen der Kinder und Jugendlichen repräsentieren und über bestehende Probleme und aktuelle politische Themen beraten soll. Dies kann helfen, bereits bei Jugendlichen ein Verständnis von Demokratie zu fördern. Dies ist nur als erster Schritt zu sehen. Wir fordern wir die Aufwertung des Jugendforums zu einem Jugendparlament. Dazu haben wir folgende Vorschläge:
- Demokratisierung: Die Satzung des Jugendforums sieht eine Entsendung der Vertreter, schreibt dafür jedoch keine Wahl vor. Die Mitglieder der Jugendparlamente sollen einmal im Jahr, demokratisch an allen Schulen gewählt werden können. Wahlberechtigt und wählbar sollen alle Jugendlichen ab ihrer Einschulung bzw. ab dem Besuch einer weiterführenden Schule sein.
- Rederecht: Bisher sieht die Satzung nur vor, dass die Erteilung des Rederechts im Ermessen des Rates bzw. der Ausschüsse liegt. Alle Vertreter des Jugendparlaments müssen ein Teilnahme- und Rederecht an allen Ratssitzungen, Ausschusssitzungen und Arbeitskreissitzungen erhalten, um ihre beratende Funktion ausreichend wahrnehmen zu können.
- Stimmrecht: Wir fordern das Stimmrecht für das entsandte Mitglied des Kinder- und Jugendhilfeausschusses, in dem bisher nur eine beratende Funktion der Teilnehmer des Jugendforums vorgesehen ist.
- Finanzierung: Die gewählten Vertreter der Leverkusener Kinder und Jugendlichen müssen für ihre Aufwendungen im Jugendparlament und den Veranstaltungen des Rates und seiner Ausschüsse, an denen sie mit Rederecht teilnehmen, finanziell entschädigt werden.
Ich bin gespannt, ob der Vorschlag von den Leverkusener PIRATEN so akzeptiert wird. Wir wollen außerdem Kontakt zum Jugendforum aufnehmen, um ihre Vorstellung zur Verbesserung der Situation der Kinder und Jugendlichen in Leverkusen in unsere Programmatik einfließen zu lassen. Kinder und Jugendliche aus Leverkusen wissen schließlich am besten, was Kinder und Jugendliche in Leverkusen brauchen.
Damit zudem die Suche nach der demokratischen Mitwirkung Jugendlicher für interessierte Leverkusener demnächst einfacher wird, habe ich heute einen Verbesserungsvorschlag an die Stadt geschickt:
Bei einer Suche nach „Jugendparlament“ über die Suchfunktion der Website findet man nichts, obwohl mit dem Jugendforum ein vergleichbares Medium existiert. Das Jugendforum selber ist auf den Seiten der Stadt nicht verlinkt. Ich schlage vor, einen Link auf http://jugendforum-lev.org/ in die Übersicht unter https://www.leverkusen.de/index.php?keywords=jugendforum&sp-mode=search&sp-search=solr&sp-formname=search&sp-searchmode=simple aufzunehmen. Außerdem sollten Suchanfragen nach Jugendparlament zumindest Hinweis auf das Jugendforum ausspucken.
Danke im Voraus.
Die Jugend ist unsere Zukunft. Die Ergebnisse der U18-Wahl im Vorfeld der diesjährigen Bundestagswahl zeigen, dass die Jugendlichen – wie erwartet – auch in Leverkusen progressivere politische Vorlieben haben als die Rentnerbande, die uns diesen Mist in Berlin angetan tatsächliche Wahlbevölkerung hat.