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Zu viele freiheitsentziehende Maßnahmen in Leverkusen

Gurtsystem zur mechanischen Fixierung im Pflegebett (CC BY-SA 2.5 Ciell)
Gurtsystem zur mechanischen Fixierung im Pflegebett (CC BY-SA 2.5 Ciell)

In der Ausgabe von „Mitteilungen z.d.A. Rat“ vom 28.4.2016 hat die Stadtverwaltung eine Anfrage zu freiheitsentziehenden Maßnahmen in Leverkusener Pflegeeinrichtungen beantwortet. Diese war auf Anregung der Piratenpartei vom unabhängigen Ratsherrn Manuel Lindlar gestellt worden. Die Stadtverwaltung teilt mit, dass bei jedem 14. Leverkusener Heimbewohner freiheitsentziehende oder freiheitseinschränkende Maßnahmen angewendet werden. Diese Zahl ist deutlich zu senken. Die Heimaufsicht muss dringend weitere Maßnahmen treffen, um Freiheitsentzug in der Pflege zu reduzieren.

Bei 100 von circa 1.400 Heimbewohnern in Leverkusen werden freiheitsentziehende oder freiheitseinschränkende Maßnahmen durchgeführt. Als Pirat und Altenpfleger muss ich das kommentieren:Die Stadtverwaltung differenziert leider nicht zwischen Maßnahmen, die gegen den Willen des Betroffenen in dessen Bewegungsfreiheit eingreifen und jenen die von den pflegebedürftigen Personen selbst gewünscht sind oder wegen fehlender Eigenmotorik nur Schutz gegen unwillkürliches Herunterfallen darstellen. Gefragt war nach explizit freiheitsentziehenden Maßnahmen, also jenen Handlungen, die die Bewegungsfreiheit konkret und gegen den Willen der betroffenen Personen einschränken. Mit der gezeigten Zusammenfassung begehen Stadtverwaltung und Heimaufsicht eine gefährliche Verharmlosung, denn bei körpernaher Fixierung gegen den Willen des Betroffenen drohen erwiesenermaßen massive Gefahren für dessen Leib und Leben. Eine Aufschlüsselung gerade solcher freiheitsentziehender Maßnahmen ist daher geboten.

Außerdem wird behauptet, dass es persönliche und gesundheitliche Gründe gäbe, auf Grund derer nicht grundsätzlich auf freiheitsentziehende Maßnahmen verzichtet werden könne. Das mag für die Akutpflege und bei konkreter Gefährdungslage für Leib und Leben als rechtfertigender Notstand stimmen. Für die Betreuung in Pflegeheimen darf die Heimaufsicht solche allzu pauschalen Aussagen aber nicht hinnehmen oder gar selbst verbreiten. Sämtliche auf Dauer angelegten Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit gegen den Willen der pflegebedürftigen Personen einschränken, gehören auf den Prüfstand. Dass gerade einmal in einem Fall im Nachhinein auf ein Bettgitter verzichtet wurde, ist bei der hohen Fallzahl eine geradezu jämmerliche Bilanz.

Die Antwort zeigt, dass die Heimaufsicht die Pflegeeinrichtungen in Leverkusen viel deutlicher dazu bewegen muss, auf freiheitsentziehende Maßnahmen zu verzichten. Es reicht nicht aus, dass Konzepte zu deren Reduzierung vorgelegt werden, wenn diese offenbar nicht zur angemessenen Umsetzung kommen. 100 Bewohner, bei denen dauerhaft freiheitsentziehende oder freiheitseinschränkende Maßnahmen angewendet werden, sind 100 Bewohner zu viel. Fixierungsfreie Einrichtungen sind möglich.

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